Wos Guads vor Ort

Der Kailshof in Riedern

Fährt man von der Kreuzstraße in Richtung Waakirchen, dauert es nicht lange bis man rechts neben der Hauptstraße, eingebettet in einer Senke neben den Bahngleisen, den Kailshof*  erspäht. 

Der Biobauernhof der Familie Schmotz-Schöpfer in Riedern bietet nicht nur Milchkühen und ihren Nachzuchten eine Heimat, sondern dient auch als Lehrerlebnishof für Kinder. Denn eines ist Johanna und Florian Schmotz-Schöpfer besonders wichtig: die nächsten Generationen für die Landwirtschaft und ihre Bedeutung zu sensibilisieren.  

*Die Hofstelle gibt es mutmaßlich schon seit über 1000 Jahren! Im Urbarbuch des Klosters Tegernsee wird sie anno 1017 erwähnt. 

Umgeben von rund elf Hektar Weidefläche haben Hanni und Florian ihr Vieh immer im Blick. „Es ist schön, dass sie immer rund ums Haus sind und wir somit immer sehen können, wie es ihnen geht“, sagt Johanna Schmotz-Schöpfer.

Das Ehepaar hat vor vier Jahren die Landwirtschaft von Florians Eltern – in dritter Generation – übernommen und diese nur ein Jahr später auf Bio umgestellt. „Aber auch schon vorher wurde die Landwirtschaft extensiv betrieben, und so waren es nur ein paar Änderungen, die wir vornehmen mussten“, erklärt die Bäuerin. Etwa musste das Kraftfutter für die Milchkühe umgestellt und andere Kälberboxen auf dem Hof installiert werden. Schritt für Schritt wurde zunächst der Grund, dann die Milch und seit 2023 auch das Fleisch nach den Richtlinien EU-Öko-Verordnung, welche zum Beispiel den Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel vorschreibt, bewirtschaftet und erzeugt.

Zu fressen bekommen die Rinder Silo, Heu und Grumet aus der eigenen Produktion sowie täglich Kraft- und Mineralfutter. „Das wird immer auf den momentanen Zustand der Kühe abgestimmt.“ Nach dem Kalben erhalten die Kühe etwa mehr Kraftfutter. Zweimal am Tag wird mit der Maschine im sogenannten Fischgrät-Melkstand gemolken. 

Florians Vater Georg ist zuhause viel mit der Forstwirtschaft des Kailshof beschäftigt und kümmert sich um den Mischwald, dessen Erträge in Bau- und Energieholz verarbeitet werden.  

Zweitbetrieb in der Oberen Wies ​

Dass die Umstellung auf einen Bio-Betrieb überhaupt möglich war, ist der externen Betriebsstätte des Kailshofs zu verdanken. Diese befindet sich in der Oberen Wies in Miesbach, wo Florians Onkel Andreas einen Hof besitzt und das Jungvieh der Schmotz-Schöpfers betreut. Die zweite Betriebsstätte pachtete das Ehepaar vor vier Jahren, und wenn die Kälber auf dem Hof in Riedern nach rund drei Monaten entwöhnt sind, dürfen sie in der Wies ihre jungen Jahre genießen. Mit zwei Jahren werden die Rinder besamt und kommen tragend wieder auf den Kailshof zurück.

Rund 30 Milchkühe plus deren Nachzuchten sind derzeit auf dem Hof in Riedern, mit dem Jungvieh in der Wies haben die Schmotz-Schöpfers durchschnittlich 80 Rinder zu betreuen. „Mit unserem zweiten Betrieb ist es uns möglich, den Tieren mehr Grünfläche und Platz im Stall zur Verfügung zu stellen.“ Dass Florians Onkel die Jungtiere dort betreut, sei ein absoluter Glücksfall. „Sonst hätten wir gar nicht auf Bio umstellen können, denn dann hätten wir Platzprobleme gehabt.“

Die Milch ihrer Kühe liefern die Schmotz-Schöpfers übrigens an die Molkerei Gropper in Bissingen, die unter anderem die frische UNSER LAND Bio Milch herstellt. 

Neben dem normalen Stall, in welchem oft die tragenden Kühe ihre Ruhe genießen, steht den Tieren sowohl auf dem Kailshof als auch in der Wies ein Laufstall zur Verfügung. 

Raus auf die Weide ​

Die Haupterwerbslandwirtschaft wird im Wechsel mit Weide- und Laufstallhaltung betrieben. Nach der ersten Mahd werden die Tiere auf die Weide geschickt. Ist diese abgegrast wird das nächste Teilstück abgesteckt und sie wechseln die Fläche. Mit der Mahd zum richtigen Zeitpunkt kann die Arten- und Pflanzenvielfalt der Wiesen erhalten bleiben.

Drei bis viermal im Jahr werden die Flächen der Schmotz-Schöpfers gemäht. „Und das weiß jeder Bauer selbst am besten, wann der richtige Zeitpunkt ist“, erklärt das Landwirtspaar. Deshalb sei es umso wichtiger, keine einheitlichen Regelungen für alle Bauernhöfe zu beschließen.

Denn wie der Boden beschaffen ist, wirkt sich wiederum auf die Tiere aus. „Die sind im Sommer eigentlich die ganze Zeit draußen“, erklärt Johanna. Wenn es ihnen zu heiß wird, gehen die Damen auch sehr gerne in den Laufstall hinein, denn werden die 20 Grad Celsius auf dem Thermometer geknackt, ist es den meisten Kühen eigentlich schon zu warm.

„Das führt oft zu Missverständnissen, denn wenn das Vieh im Sommer im Stall ist, dann weil sie nicht raus möchten“, erklärt die Bäuerin. Auch die Insektenbelastung sei im Sommer viel höher. Deshalb ist es auch nicht ungewöhnlich, dass die Kühe noch bei eisigen Temperaturen am Winteranfang ihren Freilauf genießen, denn dann herrscht für sie Wohlfühlwetter ohne Fliegen- und Bremsenplage. Auch die hochtragenden Rinder, die trocken gestellt sind – also nicht gemolken werden – sind noch bis sie kalben auf der Weide.  

Dass jedes einzelne Tier der Familie wichtig und ans Herz gewachsen ist, merkt man sehr schnell. „Die Kinder geben jeder Kuh einen Namen und die Kälber werden immer geschmust und umsorgt.“ Mensch und Tier gehören hier einfach zusammen. Geht es einem Tier nicht gut, ist das für alle belastend. Schwere Krankheiten oder Unfälle bewegen die ganze Familie. Wie etwa, als bei einem schweren Gewitter, das viel zu schnell aufzog, eine tragende Kalbin vom Blitz getroffen wurde und beide verstarben. „Da stehen wir alle unter Schock und sind tieftraurig“, sagt Johanna Schmotz-Schöpfer.

Die Landwirtschaft und der Umgang mit den Tieren sei viel mehr, als es von außen oft den Anschein mache. „In der Landwirtschaft wird man als Produzent vor vollendete Tatsachen gesetzt, man muss mit dem leben, was man bekommt“, sagt Johanna. Seien es die Milchpreise oder die Preise für Stierkälber, welche man auf dem Kälbermarkt in der Oberlandhalle in Miesbach geboten bekommt. Dabei wird auch kein Unterschied zu Erträgen aus der Bio-Landwirtschaft gemacht, welche in ihrer Herstellung jedoch arbeits- und kostenintensiver sind.  

Das Wohl der Tiere steht an oberster Stelle auf dem Kailshof. „Denn wenn es den Kühen nicht gut geht, dann geben sie auch keine Milch und bekommen keine Kälber“, erklärt die Bäuerin. Sie würde sich mehr Vertrauen in das Wissen der Landwirte und Bäuerinnen wünschen, welche ihre Böden, Tiere und Gegebenheiten selbst am besten kennen. „Man kann nicht alle immer über einen Kamm scheren, das funktioniert einfach nicht.“ Das sei sowohl auf politischer Ebene mit europaweiten Beschlüssen, als auch auf gesellschaftlicher Ebene mit verallgemeinernden Annahmen zur Haltung der Fall. „Es wird zu wenig auf die gehört, die das Ganze gelernt haben“, ist sie überzeugt. Deshalb ist es der Bäuerin umso wichtiger, ihr Wissen rund um die Landwirtschaft an die nächsten Generationen weiterzugeben.  

Wissen an die nächsten Generationen weitergeben

Deshalb ist die gelernte Kinderpflegerin und Hauswirtschafterin auch Teil des Projektes „Schule fürs Leben“ des Bayerischen Kultusministeriums*. Als Erlebnisbäuerin und Expertin für Hauswirtschaft besucht sie im Rahmen von Projektwochen Klassen in Grund-, Mittel- und weiterführenden Schulen und vermittelt den Kindern und Jugendlichen praxisnah vieles rund um die Themen Ernährung sowie Haus- und Landwirtschaft. „Ich war etwa ein einer Realschule, habe dort mit den Schülern Brot gebacken, wir haben ein Frühstück mit regionalen Produkten gemacht und ich habe mit ihnen über die Landwirtschaft gesprochen.“ Ein tolles Projekt findet Johanna, denn „mit den Kindern kann man noch völlig frei über alles reden.“ 

Es sei so wichtig, dass die Kinder begreifen, was Landwirtschaft eigentlich ist und was alles dazugehört. Der Kailshof ist beim Bayerischen Bauernverband auch als Lehrerlebnisbauernhof gelistet und zukünftig möchte Johanna Schmotz-Schöpfer dort Kindergruppen empfangen, dafür hat sie sich einen eigenen Lehrraum eingerichtet. Das direkte Erleben vor Ort sei natürlich besonders spannend und lehrreich. „Die Kinder sollen sehen, wo die Küken herkommen und wie man zum Beispiel Kartoffeln anbaut.“ Die korrekte Wissensvermittlung verbunden mit Spaß sei der Schlüssel, um zukünftig mehr Verständnis für die Landwirtschaft zu fördern.  

*Das Konzept „Schule fürs Leben“ zielt darauf ab, über Praxiswochen bzw.  Praxismodule den Lebensweltbezug im schulischen Alltag deutlich zu stärken und selbstverständlich werden zu lassen. Dabei arbeitet die gesamte Schulfamilie fächerübergreifend und mit qualifizierten externen Partnern zusammen. – Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 

Heimisches Superfood und natürliches Antibiotikum 

Neben den Milchkühen und Kälbern sind der Gockel und seine neun Hühnerdamen und die derzeit 18 Küken besonders beliebt. Zwischendurch wuselt Hofhund „Wiggal“ noch mit und spätestens bei den zwei Hasen schmelzen die Herzen dahin. Wer vorsichtig einen Blick in den Kräuter- und Gemüsegarten wirft, der kann vielleicht sogar die scheue Schildkröte „Kröti“ im Teich entdecken, den sie sich mit ein paar Goldfischen teilt.

Der Garten ist Johannas Lieblingsplatz. Die gelernte Kräuterpädagogin hat dort neben einer beachtlichen Blumenpracht, einem Gemüsebeet und einem Gewächshaus viele Kräuter- und Heilpflanzen – von Johanniskraut bis Königskerze. „Unkräuter“ gibt es für die Erlebnisbäuerin übrigens nicht. „Die Samen von Brennnessel zum Beispiel sind wie ein heimisches Superfood“, sagt sie und zupft sich beim Vorbeigehen gleich ein paar davon ab.

Ihr umfangreiches Kräuterwissen kommt auch den Tieren auf dem Hof zugute. Tinkturen aus 20 bis 30 verschiedenen Pflanzen ansetzen, um damit Wunden zu besprühen oder Kräuterbüschel im Stall aufhängen, um Parasiten fern zu halten – es gibt fast nichts, wofür kein Kraut gewachsen ist. „Gundermann etwa ist ein natürliches Antibiotikum und Beinwell wird aufgelegt, um Schmerzen und Entzündungen in Gelenken zu verbessern.“

Das Wissen aus vielen Generationen und aus neuen Erkenntnissen nutzen und weitergeben, um damit Mensch, Tier und Natur etwas Gutes zu tun – das ist die Prämisse auf dem Kailshof der Familie Schmotz-Schöpfer in Riedern.  

Text und Fotos: Selina Benda