Bereits in sechster Generation wird der Woidhauserhof in Piesenkam betrieben. Doch die Zeit ist dort nicht stehen geblieben, ganz im Gegenteil. Hoferbin Michaela Schwaighofer und ihr Mann Georg haben mit innovativen Veränderungen ihre Landwirtschaft auf mehrere Säulen verteilt und damit perfekt für die Zukunft vorbereitet. Die Geschichte eines Bio-Hofes, der sich mit seinen verschiedenen Generationen immer weiterentwickelte.
Innovative Landwirtschaft im Einklang mit der Natur
Am Ortsrand von Piesenkam gelegen, umgeben von weiterer Landwirtschaft und Häusern, ragt der Woidhauserhof empor. Das große dreistöckige Haupthaus mit seiner einladenden Frontansicht ist jedoch nicht nur schön anzusehen, im Hintergrund verbirgt es so manche Überraschung. Die größte dürfte für erstmalige Besucher wohl sein, dass die Familie Schwaighofer keinen Milchviehbetrieb hat. Zumindest nicht mehr.
Doch gehen wir zurück zum Anfang: Die Geschichte des Woidhauserhofs beginnt im Jahr 1848, als der Hof nach der Säkularisation laut Urkunde vom vorherigen Besitzer, dem Kloster Tegernsee, in den Familienbesitz überging. Erstmals wurde die Hofstelle schon 1331 erwähnt. Vier Generationen der Familie Büchl bewirtschafteten in den folgenden Jahrhunderten den Hof, hielten Vieh und lebten vom Verkauf derer Produkte.
Eine neue Ära auf dem Hof
Eine neue Ära läutete bereits Wilhelm Büchl ein, der Vater von Michaela Schwaighofer, als er 1964 ein neues Bauernhaus mit drei Gästezimmern auf dem Woidhauser-Grundstück baute. Zum konventionellen Milchviehbetrieb gesellte sich damit ein zweiter Wirtschaftszweig, der bis heute ein Standbein auf dem Piesenkamer Hof ist. 1967 heiratete Wilhelm Büchl seine Frau Elisabeth und noch im selben Jahr begrüßten sie die ersten Gäste zur sogenannten Sommerfrische.
Als Tochter Michaela 2005 den Hof übernahm und im Herbst desselben Jahres ihren Mann Georg heiratete, sollte wiederum eine neue Zeit anbrechen. Bereits 2002 baute das Paar seine Wohnung im Dachgeschoss des Haupthauses um, welche dann ab 2008 als Ferienwohnung zusätzlich zu den drei Gästezimmern vermietet wurde. Der Hof wurde mit dem „Blauen Gockel“ – dem offiziellen Markenkennzeichen des Landesverbandes für Bauernhof- und Landurlaub – ausgezeichnet.
2008 stellten die Schwaighofers die bisher konventionelle Landwirtschaft komplett auf Bio nach EU-Öko-Verordnung um und lieferten ihre Milch an die Molkerei Allgäumilch in Kimratshofen. Außerdem lief die Landwirtschaft im Nebenerwerb, denn die Gäste kamen ganzjährig und Georg war und ist weiterhin im Außendienst landwirtschaftlicher Zulieferer und Firmen tätig. Zwölf Jahre lang lief der Bio-Milchviehbetrieb so. Es kamen die beiden Kinder Michael und Anna zur Welt und 2019 sollte wiederum ein Umbruchsjahr für den Woidhauserhof werden.
„Wir hätten dann den alten Stall umbauen, einen Laufstall bauen und neue Melktechnik anschaffen müssen“, erklärt Michaela Schwaighofer. Sehr hohe Investitionskosten wären damit auf die Familie zugekommen. Noch dazu wäre der benötigte Platz ausgegangen. „Wir liegen zwar am Ortsrand, aber mittendrin, umgeben von Häusern, das wäre nicht gegangen“, erklärt das Ehepaar. Die meisten ihrer Felder liegen zudem weiter draußen am Waldrand. Dies alles mit dem Ertrag einer Nebenerwerbslandwirtschaft aufzufangen, hätte nicht funktioniert.
Doch die Geschichte des Woidhauserhofs hatte bewiesen, dass jedem Ende ein neuer Anfang innewohnt und somit entschied sich die Familie, den Milchviehbetrieb aufzugeben und wieder neue Wege zu gehen.
Die Exoten erobern den Woidhauserhof
Was bereits da war, wird weiterhin genutzt, nur anders. „Wir bewirtschaften die Weideflächen weiter, nur eben mit Pensionsrindern“, erklärt Georg. Sechs eigene Rinder haben die Schwaighofers noch. Hinzu kommen aktuell zwölf Pensionsrinder von Höfen aus der näheren Umgebung. So gastieren Kalbinnen (= Koima), bis sie kalben in Piesenkam, und Mastrinder vom Frühjahr bis zum Herbst.
Neben dem klassischen Fleckvieh und Holsteiner Rindern haben sich die Schwaighofers bei ihren eigenen Rindern auf ganz besondere Rassen spezialisiert. Die Exoten stammen ursprünglich aus den USA und Kanada. Die gefleckten Speckle Park-Rinder kommen aus der kanadischen Provinz Saskatchewan und sind eine Kreuzung von Shorthorn, White Park und Aberdeen Angus. Es gibt sie in drei verschiedenen Farbrichtungen, in Piesenkam leben derzeit zwei schwarz-weiß Gescheckte. Zu ihnen gesellten sich die zwei schwarzen Brahman-Rinder. Diese stammen von der indischen Rasse Zebu ab und wurden ab 1900 ursprünglich im Süden der USA gezüchtet und von dort aus in die Welt geschickt.
Schafe und Hühner sind auch dabei
Neben den heimischen und exotischen Rindern halten die Schwaighofers auch seit vielen Jahren Schafe, deren Fleisch und Wolle verkauft wird. Heute leben im Schnitt zehn Schafe und ein Bock auf der Wiese gegenüber dem Hof, zur Osterzeit wird auf Bestellung Lamm- und Schaffleisch verkauft. Einmal im Jahr werden die Tiere geschoren, die Wolle wird unter anderem als Dünger für die Pflanzen, Wärmedämmung für die Hochbeete oder auch als Isolierung der Maschinenhalle verwendet.
Die beliebtesten Produkte der Direktvermarktung des Woidhauserhofs sind jedoch die Bio-Eier und Bio-Suppenhühner. Zwei kleine Mobilställe stehen auf der großen Wiese gegenüber, direkt neben den Schafen. Jeweils 30 bis 40 Hühner, natürlich jeweils mit einem Hahn, picken dort munter herum, walzen sich in Kalkpulver und legen fleißig ihre Eier. Nach etwa eineinhalb Jahren ruhigem Leben auf der Wiese heißt es dann für einige der Hühner adé. „Die Suppenhühner sind sehr beliebt“, sagt Georg. Auch weil die Kunden wissen, dass bei den Schwaighofers bis aufs letzte Korn darauf geachtet wird, was alle ihre Tiere zu fressen bekommen.
Wissen, was gut ist
„Es ist uns wichtig zu wissen, woher das Futter kommt“, erklärt der Vertreter für Futtermittel. Aus der Off-Mühle in Sindelsdorf beziehen die Schwaighofers deshalb nicht nur die Bio-Körnermischung und das Legekorn für ihre Hühner, sondern auch die Bio-Produkte wie Müslis für die Köstlichkeiten am Frühstückstisch ihrer Feriengäste. Sowohl die Hühner als auch die Rinder bekommen gerne mal einen Schluck Apfelessig ins Trinkwasser gemischt. „Was für uns gut ist, ist auch für das Vieh gut“, sagt Michaela Schwaighofer.
Auch bei allen anderen Futtermitteln setzt die Familie auf ursprüngliche Verfahren. „Unsere Tiere bekommen nur frisches Gras und Heu, keinen Mais und keine Silagen“, erklärt Georg. Dies würde sich nicht nur auf die Gesundheit, sondern auch auf die Fleischqualität nachvollziehbar auswirken. Dafür werden von den rund 20 Hektar Grünland etwa sieben Hektar zwei- bis dreimal im Jahr gemäht und somit extensiv bewirtschaftet. Die eineinhalb Hektar Mooswiese werden im September einmal abgemäht und das getrocknete Heu als Einstreu für den Stall verwendet. „Durch das Tiefstreu müssen wir im Winter nur alle drei Wochen ausmisten“, sagt er.
„Wir haben maximal drei Schnitte im Jahr und mähen nach der Blüte“, erklärt der Landwirt. Außerdem wird das frisch gemähte Gras nur zweimal schonend gewendet. „Dadurch haben wir weniger Blattverlust.“ Das wiederum wirke sich auf die Zusammensetzung des Futters aus, denn die ganzen Blätter und Blüten enthalten mehr Zucker und Fette und sind somit energiereicher.
Moderne Maschinerie im Dehner
Überhaupt möglich macht diese Fütterungsweise eine Innovation im Dehner (= Tenne) des Woidhauserhofs. Dort steht seit 2009 nämlich die Heutrocknungsanlage der Schwaighofers. In dem 112 Quadratmeter großen und vier Meter hohen Füllbereich im Dehner, wird das angetrocknete Gras eingefüllt und mittels einer Wärmepumpe aufgeheizt. Ein Wärmetauscher saugt den aufsteigenden Dampf an und entfeuchtet die Luft, welche dann wiederum aufgewärmt in das so entstehende Heu geblasen wird. Etwa fünf bis acht Hektar Heu passen dort hinein, je nach Schnittzeitpunkt. Im Schnitt braucht das Gras somit nur drei Tage, bis es fertig getrocknet ist.
Wir waren die ersten mit so einer Anlage in der Gegend, da hat man uns erst einmal belächelt“, erinnert sich Georg. Mittlerweile habe sich die Wirtschaftlichkeit des Gerätes und die Qualität des Heus herumgesprochen. „Wir tauschen sogar Futter gegen Gülle“, sagt er schmunzelnd. Georg Schwaighofer erklärt auf Hofführungen gerne die Funktionen und Vorteile der großen Maschinerie. „Mittlerweile kann ich schon am Geruch hier oben erkennen, ob das Heu trocken ist oder nicht.“
Nachhaltig und zukunftssicher
Nachhaltigkeit und schonende Verfahren sind den Schwaighofers wichtig. So heizen sie das Haupt- und Nebenhaus etwa mit der eigenen Hackschnitzelheizung, das Holz dazu stammt aus dem eigenen Wald, welches wiederum in einer eigenen Trocknungsanlage vorbereitet wird. Rund 24 Hektar gehören zum Woidhauserhof und liefern nicht nur das Material für die Heizung. Das Holz ist auch in den Fremdenzimmern und Ferienwohnung verbaut und auch der 2021 gebaute Natur-Swimmingpool im Garten ist aus dem eigenen Holz. Der Großteil des Holzes wird verkauft, auch als Brennholz auf Vorbestellung und bildet damit den dritten Wirtschaftszweig der Landwirtschaft. Eine große Photovoltaikanlage auf der Maschinenhalle speist das Netzwerk mit Öko-Strom.
Der Familie Schwaighofer ist es wichtig, dass auch ihre Hausgäste das Leben und Arbeiten auf dem Woidhauserhof miterleben und somit verstehen können. So dürfen sie auch gerne mal mit anpacken, was vor allem den kleinen Gästen sehr gefällt. Wie man Landwirtschaft innovativ auf mehrere Standbeine stellen kann, das haben Michaela und Georg bewiesen. Ihre Kinder werden es ihnen auf jeden Fall danken, wenn sie den Hof dann in siebter Generation weiterführen.
Text: Selina Benda, Fotos: Selina Benda, Fam. Schwaighofer