Bei den Gasts geht’s tierisch zu – und das sogar wortwörtlich. Denn neben der Haltung von Milchkühen tummeln sich auf dem Hof in Unterkammerloh noch einige weitere tierische Mitbewohner, auf vier und auf zwei Beinen. Mit ihrer Direktvermarktung von hofeigenen und weiteren regionalen Bio-Produkten hat die Familie Gast sich eine Landwirtschaft nach ihren Wünschen aufgebaut.
Schon wenn man den Kreisverkehr in Riedern (oder in Hauserdörfl) anfährt, egal aus welcher Richtung man kommt, sind die vielen verschiedenen Tiere der Gasts zu sehen. Auf der Wiesen vor und hinter dem Haus grasen die Kaltblutpferde, daneben die Kühe und ein paar Hühner sieht man im Hintergrund eigentlich auch immer herumlaufen. Der Hof in Unterkammerloh mit seiner exponierten Lage an der Hauptstraße ist seit jeher im Besitz der Familie von Maximilian Gast.
Er und seine Frau Maria führen seit sieben Jahren die Geschicke der Bio-Landwirtschaft, die bereits seit 2005 unter EU-Öko-Richtlinien läuft. Der gelernte Zimmerer hat den Hof von seinen Eltern übernommen und ihn gemeinsam mit seiner Frau in den vergangenen Jahren zu ihrem eigenen Betrieb gemacht, ohne dabei die Traditionen der Familie zu übergehen.
Die Geschichte der Pferdezucht
Denn was auf dem Hof schon seit vielen Jahrzehnten neben der Milchviehhaltung besteht, ist die Zucht von Pferden. Schon all seine Vorfahren hätten auf dem Hof Pferde gezüchtet, Süddeutsche Kaltblüter und Schwere Oldenburger damals. „Die Kaltblüter wurden zum Arbeiten auf dem Acker und auf dem Hof gebraucht“, erklärt Maximilian Gast. Die schweren Warmblüter hingegen dienten vor allem als Fahrpferde, etwa für Post- oder Transportfahrten.
Pferde seien schon immer Teil seines Lebens gewesen, wie auch seine Vorfahren wuchs er in die Haltung und Zucht hinein. Noch unter seinem Urgroßvater seien die Zuchtpferde aus Österreich gekommen. Die Rasse der „Noriker“ ist somit die meistverbreitete Rasse im bayerischen Alpenraum. Nach der Schließung der Zuchtbücher in den 80er Jahren gab es keinen grenzüberschreitenden Handel mehr. „Die meisten Süddeutschen Kaltblüter stammen von Norikern ab“, erklärt der Landwirt. Er schätzt an den Pferden mit einem Stockmaß von 1,63 Meter ihr ruhiges Gemüt und ihre Charakterstärke. Auf dem Hof in Unterkammerloh leben derzeit sechs Zuchtstuten und ein Hengst, sowie vier jüngere Stuten sowie ein Fohlen.
Zwischen drei und vier Fohlen kommen auf dem Hof pro Jahr zur Welt. „Dieses Jahr ist uns eines gestorben“, erzählt Maximilian Gast. Die Hengstfohlen würden meist auf dem Fohlenmarkt in Miesbach, der einmal jährlich stattfindet, verkauft. „Die Rasse ist über die bayerischen Grenzen hinaus sehr beliebt.“ Etwa zwei Stutenfohlen behalte er sich selbst auf zur Aufzucht. Als Mitglied der Kaltblutgenossenschaft Miesbach-Tegernsee ist Maximilian Gast ein angesehener Züchter im Landesverband Bayerischer Pferdezüchter.
„Die Kinder streiten sich immer darum, wem jetzt aktuell welches Pferd gehört“, erzählt Maria lachend. Die älteste Tochter helfe ihrem Vater schon jetzt aktiv mit den Pferden und ist auch auf dem Fohlenmarkt dabei. Sie wachsen, wie er selbst, mit der Tradition der Pferdezucht und damit auch der Leonhardifahrten auf. Denn im Herbst wird eingespannt und Maximilian Gast und seine Pferde sind auf den Fahrten in Warngau (siehe Foto oben), Reichersdorf, Bad Tölz und dem Leonhardiritt in Festenbach beliebte Mitwirkende. Etwa um die gleiche Zeit wie die Leonhardifahrten stattfinden, ist es für die anderen Vierbeinern auf dem Unterkammerloher Hof Zeit, die Weiden zu verlassen.
200 Tage im Jahr draußen
Denn die rund 40 Kühe und ihre Nachzuchten ziehen im November, je nach Wetterlage, spätestens in ihren Laufstall um. „Die Viecher sind rund 200 Tage im Jahr draußen“, erklärt der Landwirt. Eine der Bio-EU-Richtlinien ist es, dem Vieh stets Grünfutter zur Verfügung zu stellen, das sei mit der überwiegenden Weidehaltung gegeben. Etwa ab Mitte April werden sie auf die rund 30 Hektar Weidefläche rund um den Hof gelassen, jeweils zwei Tunnel machen den Viehtrieb über die vielbefahrenen Straßen zu den Weideflächen auf der gegenüberliegenden Straßenseite möglich. Den alten Stall haben die Gasts umgebaut sowie einen Laufstall neu errichtet.
„Die Tiere sind Sommer wie Winter im Freilauf und nicht angehängt“, erklärt Maximilian. Zu kalt wird es den Rindern übrigens auch im Herbst nicht. „Die Wohlfühltemperatur sind um die zehn Grad Celsius“, erläutert Maximilian. Stallzeit ist nur früh morgens und abends. Dann geht es in den neuen Melkstand, in welchem acht Kühe gleichzeitig gemolken werden können. „So geht es schneller und die anderen müssen nicht so lange warten, die werden dann schon immer ungeduldig und wollen wieder raus auf die Wiese“, sagt Maria.
Jeden zweiten Tag holt der Fahrer der Molkerei Gropper die Milch in Unterkammerloh ab. Wie viel Liter das im Jahr sind? „Das kann man pauschal nicht so einfach sagen, das hängt viel mit der Witterung und dem Futter zusammen“, erklärt Maximilian. Müsste er es schätzen, wären es etwa 7500 Liter im Jahr. „Aber ohne Gewähr“, fügt er schmunzelnd hinzu. – Bei Gropper in Bissingen wird die Milch für die UNSER LAND Bio Milch abgefüllt, die ausschließlich von Höfen aus dem Miesbacher Land stammt.
Umtriebsweide und Almleben
Ein Jahr gleicht eben nicht dem nächsten, das ist in der Landwirtschaft einfach so. Die Höhenlage des Voralpengebiets bedeutet auch viel Niederschlag. Das wiederum wirkt sich auf die Beschaffenheit der Wiesen der auf rund 800 Höhenmeter liegenden Landwirtschaft aus, erklärt der Landwirtschaftsmeister. In Unterkammerloh werden die Rinder auf Kurzrasenweiden gehalten. „Das hat in einem Bio-Betrieb mehrere Vorteile“, sagt er. So hätten sie kein Mäuseproblem, der Grasbestand sei widerstandsfähiger und dadurch trittfester, Unkräuter wachsen weniger intensiv und durch die jungen Gräser würden sie Kraftfutter einsparen. „Die Spitzen der jungen Grashalme haben mehr Energie.“
Gerade im Bio-Bereich der Landwirtschaft sei Kraftfutter enorm teuer. Das erhalten die Kühe nur im Winter, in Verbindung mit Heu und Silage. Bei einem funktionierenden Weidemanagement hätte man einen gleichbleibend guten Milchertrag und weniger Arbeitsaufwand. Die Kalbinnen (= Koima) bleiben ein Jahr auf einer Weide, das Milchvieh wird im Umtriebsweide-Prinzip auf verschiedene Koppeln gelassen.
Die Trockensteher, also tragende Kühe, die nicht mehr gemolken werden, sind auf einer extra Weide untergebracht. „Dort haben sie ihre Ruhe und sie brauchen auch kein Kraftfutter während der letzten drei Monate“, erklärt Maximilian. Die Kälber kommen in Unterkammerloh meistens draußen zur Welt. „Da gibt es eigentlich fast nie Komplikationen, weil sich die Kuh ebenso hinlegt, wie sie es mag, sie sucht sich ihren Platz und hat Zeit zum Kalben.“ Im Sommer dürfen die Koima auf die Gemeinschaftsalm ziehen.
Dieses Jahr waren es rund zehn Tiere der Gasts, die ihren Sommer im Sudelfeld in Bayrischzell verbracht haben. Die Stierkälber werden nach vier Wochen auf dem Hof zum Kälbermarkt nach Miesbach gebracht. „Das ist schon kein schöner Moment immer, aber so ist es einfach. Das gehört dazu“, sagt Maria Gast. Die Realität in einem Erzeugerbetrieb ist nun einmal so, jedoch ist der Familie der richtige Umgang mit ihren Tieren enorm wichtig. „Den Tieren soll es gut gehen. Sie sollen gutes Futter erhalten, gesund, sauber und vor allem viel draußen auf der Weide sein“, betont Maximilian. Da den Überblick zu behalten, sei wichtig.
500 gackernde Mitbewohner
Der geht dem Ehepaar in dem Gewusel der rund 500 gackernden Federviecher auf dem Hof dann zugegebenermaßen schon mal verloren. „Die Hühner sind auf meinem Mist gewachsen“, erzählt Maria lachend. Angefangen haben sie 2021 mit einem Hühnerstall, einfach um selbst frische Eier für den Eigenbedarf zu haben. „Aber wir haben schnell gemerkt, dass Bio-Eier aus der Region beliebt sind bei den Leuten“, erinnert sie sich.
Aus ein paar Hühnern wurden dann 200, die in einen mobilen Stall ziehen durften. In diesem Jahr hat sich die gackernde Schar um 300 Tiere erweitert und ein zweiter Stall steht nun auf den Wiesen von Unterkammerloh. Rund 80 Prozent der Tiere legen jeden Tag ein Ei. Einmal am Tag werden die Eier abgetragen, da helfen die drei Kinder fleißig mit. Ansonsten hat das Federvieh viel Platz zum Picken und Scharren, im Freilauf oder dem Scharraum in den Wägen.
Rund eineinhalb Jahre sind die Hühner da, dann werden sie geschlachtet und als Suppenhühner vakuumiert im Verkaufshäusl auf dem Hof verkauft. In dem kleinen Holzhaus vermarkten die Gasts ihre eigenen sowie Bio-Produkte von Erzeugern aus der Region.
Umfangreiches Verkaufshäusl
„Wir haben uns mit der Direktvermarktung ein drittes Standbein aufgebaut“, erklärt Maria. Der Hofladen in Selbstbedienung war ebenfalls ihre Idee und mittlerweile finden die Kunden dort eine Vielzahl an regionalen Bio-Produkten. Neben Eiern und Suppenhühnern, sind dort auch Nudeln zu finden, die wiederum aus den Eiern der Gasts in einem Betrieb in Mühldorf hergestellt werden. Auch die weiterverarbeitenden Betriebe sind alle Bio-zertifiziert.
„Das Angebot in unserem Verkaufshäusl orientiert sich an der Jahreszeit und dem, was uns die Natur gibt“, sagt sie. Honig von ihrem Cousin, Obst und Nüsse aus dem eigenen Garten, Wild-Würste vom Jäger aus dem Ort, Kartoffeln von einem Nachbarhof aus Riedern – „uns ist es wichtig, dass wir gute Produkte anbieten, hinter deren Qualität wir stehen können.“ Auch Mehl aus der Leitzachmühle und Bio-Käse vom Obermooser aus Irschenberg bekommen die Kunden dort.
Wenn Maria Gast genug Zeit hat, dann finden sich auch mal Leckereien wie Holunderblütensirup, Marmeladen, Liköre und Essig aus eigener Produktion dort. Die sind dann aber, wie die Eier, meistens schnell vergriffen. Genauso wie die Kränze und Gestecke, welche die gelernte Floristin beizeiten anfertigt. Für die Dreifachmutter ist es schön, dass sie ihr eigenes Wirkungsfeld im Betrieb gefunden hat und trotzdem bei ihren Kindern sein kann. „Wir sind dankbar für unser Leben“, sagen Maximilian und Maria Gast.
Text: Selina Benda
Fotos: Selina Benda, Dani Skodacek, Nadia Sadeghian, Fam. Gast & privat
Hofbetreiber: Maximilian und Maria Gast
Lage: Kammerloh 5 in Riedern/Waakirchen
Betriebsform: Milchviehbetrieb und Direktvermarktung, Bio-Landwirtschaft nach EU-Öko-Verordnung seit 2005
Bewirtschaftete Fläche: 50 Hektar Grünland und 25 Hektar Forst (Verkauf von Nutz- und Brennholz sowie Hackschnitzel für Beheizung des gesamten Hofes)
Lieferant für: Molkerei Gropper, Bissingen (unter anderem Unser Land Bio Milch)
Viehbestand: rd. 40 Milchkühe mit Nachzucht in Weide- und Laufstallhaltung, 500 Hühner, 10 Süddeutsche Kaltblutpferde mit Fohlen, manchmal auch ein Gockel, 2 Katzen, 2 Hasen
Besonderheiten auf dem Hof in Unterkammerloh:
- Haltung und Zucht von Süddeutschen Kaltblutpferden
- Direktvermarktung mit Selbstbedienungs-Verkaufshäusl mit Bio-Produkten aus Eigenproduktion und der Region; Eier, Nudel, Obermooser-Käse und Leitzachmühlen-Produkte; saisonal auch Suppenhühner, Marmeladen, Essig, Liköre, Sirup, Obst, Nüsse, Gemüse, Wild-Wurstwaren, Waakirchner Kartoffeln und Gestecke