Der Meserhof und seine Angus-Zucht
Wir waren immer schon ein bisserl bio im Kopf, wollten gesund essen und gesund leben.“
Gustl Betzinger über seine Intention Bio-Landwirt zu werden
„Damals bin ich ausgelacht worden: Der spinnt ja. Davon hat er doch nix…“, erzählt Gustl Betzinger, der ab Ende der 1970er Jahre den einstigen Milchviehbetrieb auf seinem Meserhof auf biologische Landwirtschaft und Angus Rinder, eine reine Fleischrasse, umstellte. „Wir waren immer schon ein bisserl bio im Kopf, wollten gesund essen und gesund leben.“ Die Motivation kam sozusagen von innen heraus. Einen weiteren Ausschlag gab für die Familie seinerzeit eine Veranstaltung des Bioverbands „Naturland“, auf der die Unterschiede zwischen konventioneller und biologischer Landwirtschaft aufgezeigt wurden.
Mit der Angus-Zucht begonnen hatte Gustl Betzinger allerdings schon vor der Umstellung und ließ ein paar Koima (Kühe vor der ersten Kalbung / siehe Glossar) mit einem Angus-Stier decken. Auch der Fleischverkauf lief bereits in den Siebzigern an. Als gelernte Köchin kannte sich Ehefrau Gerti schließlich bestens mit Fleisch aus und wie es sich verarbeiten lässt. Zunächst wurde es nur im Freundes- und Familienkreis vermarktet. Durch Mundpropaganda ist die Fangemeinde des saftigen, mit feinen Fettäderchen durchzogenen Fleisches schnell und stetig gewachsen. Und der Kundenstamm ist bis heute treu.
Sie müssen nicht vermenschlicht werden.“
Josef Betzinger über seine wilde Angus Rinderherde
Treu geblieben ist die Familie Betzinger über die Jahrzehnte auch den Maßstäben für ihr ökologisches Handeln. Der Hof wird jährlich von der Ecocert IMO GmbH kontrolliert und nach der EG-Öko-Verordnung zertifiziert. Die Wiesen des rund zwölf Hektar großen Betriebs werden nicht gespritzt und nur zweimal im Jahr gemäht. – So erhalten Landwirte wie die Betzingers auch die Dauergraslandschaft hier im Oberland, deren Humusschicht ein wichtiger Kohlendioxid-Speicher ist.
Das Gras rings um den Hof ist schließlich das einzige Futter, das die Angus Rinder zu fressen bekommen. Dazu gekauft wird lediglich Mineralfutter (Salz). „Sie brauchen und wollen auch nicht mehr“, sagt Josef Betzinger, der den Meserhof an der Allgaustraße vor 20 Jahren vom Vater übernommen hat.
Historisches zum Meserhof Als Gustl Betzinger (Jahrgang 1935) den elterlichen Milchviehbetrieb 1960 im Nebenerwerb übernahm, lag der Meserhof übrigens noch mitten im Waakirchner Unterdorf. Genau dort, wo heute der bekannte Bildhauer Otto Wesendonck an seinen großen Metall-Skulpturen arbeitet. Ende des 19. Jahrhunderts kamen die Großeltern von Gustl Betzinger aus Unterbiberg südlich von München nach Waakirchen und kauften die ursprüngliche Hofstelle „Beim Meser“, um sie als Bauernhof weiter zu führen. Die Herkunft des Hofnamens ist indes nicht ganz geklärt. 1970 begann die Familie Betzinger mit dem Bau des heutigen Dreiseithofs an der Allgaustraße und zog in den Außenbereich von Waakirchen um, weil der Platz im alten Hofgebäude mit fünf Kindern bald zu eng wurde. Bis vor kurzem hat Gustl Betzinger noch kräftig selbst mit angepackt, nun sind die nächsten Generationen noch stärker gefragt. Auch die Nachfolge der heutigen Hofeigners Josef Betzinger ist familienintern bereits gesichert. Den Biohof und seine Angus Rinder wird es also noch einige Zeit in Waakirchen geben. |
Eine tiergerechte Haltung kommt freilich dazu. Die Rinder leben als Herde aus zehn bis zwölf Mutterkühen und Jungtieren zusammen und sind in einem Laufstall untergebracht, der ganzjährig offen ist. Sie können also auch im Winter jederzeit nach draußen und haben von Frühjahr bis Herbst auf den Weiden rund um den Hof zusätzlich viel Auslauf. Die wenigsten von ihnen bekommen Namen, nach wie vor ist die Herde wild und Kälbchen kommen auch mal mitten auf der Weide zur Welt, im Schutz der anderen Mutterkühe. „Die Tiere passen ganz genau aufeinander auf und pflegen ein intaktes Sozialleben. Sie müssen nicht vermenschlicht werden“, sagt Josef Betzinger.
Geschlachtet werden vornehmlich die Stiere im Alter von eineinhalb bis zweieinhalb Jahren. In der Metzgerei wird das Fleisch drei bis vier Wochen abgehangen, es hat also eine lange und wertvolle Reifezeit hinter sich, bevor es verkauft wird. Die Genusspakete werden zweimal pro Jahr meist im Zehn-Kilo-Gebinde mit Hackfleisch, Gulasch, Bratenfleisch, Rouladen, Suppenfleisch etc. ab Hof angeboten. So schließt sich der Kreislauf des Bio-Rindfleischs vom Meserhof.
Text: Daniela Skodacek , Fotos: Tom Launius (Porträts), Carsten Brockmann, 2021